Gallus-Park in Göttingen: Fachmarktzentrum nach jüdischer
Unternehmerfamilie Hahn benannt
„Im
Gallus-Park (früher OBI), Weender Landstraße 59...“, so bewerben orange
blinkende Kleinanzeigen in der Tageszeitung die Angebote der neu
eröffneten Fachgeschäfte.
Ganz bewusst hat sich der Göttinger Geschäftsmann Bernhard Rust dafür
entschieden, sein Fachmarktzentrum so zu benennen. Gallus - zu deutsch:
Hahn - war ein großes Unternehmen (Häute, Felle und Därme; Leder, Schuhe),
das sich seit 1912 auf dem 16.000 qm großen Fabrikgelände befand.

Die 1912 auf dem Gelände
eröffnete Firma der Unternehmerfamilie Hahn
Die Hahns gehören zu den jüdischen Familien, die im 19. Jahrhundert
nach Göttingen zuzogen, als im Königreich Hannover 1848 auch für Juden die
Niederlassungs- und Berufsbeschränkungen aufgehoben worden waren.
Doch 1939 mussten sie die Firma aufgeben, wurden die jüdischen Inhaber
wirtschaftlich ruiniert, verfolgt, schließlich verschleppt und ermordet.
Nur wenige Mitglieder der jüngeren Generation konnten – unter
unglaublichen Mühen und Gefahren – entkommen und sich ins Ausland retten.
Die Geschwister Rudolf und Hanni Hahn flohen nach England, ihre Vettern
Max und Leo Hahn über Frankreich und Portugal nach Amerika bzw. nach
Palästina/Israel.

Die Firma Gallus wird liquidiert.
Max Hahn hat mit großem Fleiß und Geschick in New Jersey ein neues
Unternehmen aufgebaut, spezialisiert auf Arbeitsgeräte und -methoden im
Bergbau: „Hahn Industries Mine & Mill Specialties.“ Auf seiner
Visitenkarte prangte als sprechendes Symbol ein „Gockel“, wie Hahn ihn
liebevoll nannte, und zwar, in Anspielung auf die Göttinger Schuhfabrik
mit Stiefeln.

Der gestiefelte Gockel -
Göttinger Wurzeln in den USA
Diesen hat Rust nun wieder belebt und in leicht modernisierter Form,
allerdings ohne Stiefel, zum Logo des neuen Gallus-Parks gemacht. Er
möchte damit an die Geschichte des Objekts erinnern und städtebauliche
Kontinuität aufzeigen.


Entwurf und...
Aufstellung des neuen Gallus-Logos
Sein Vater war es, der das Firmengelände 1939 bei der Liquidation und
erneut nach dem Krieg käuflich erwarb. Rust sieht es als großes Glück, Max
Hahn noch persönlich kennen gelernt zu haben: „Plötzlich stand er hier auf
dem Gelände in meinem Büro.“ Die beiden sehr unterschiedlichen Männer,
Jahrgang 1909 und 1944, kamen sofort ins Gespräch – und führten es über
fast 20 Jahre kontinuierlich fort. Auch Max Hahns Frau Lili war Deutsche
und sprach noch ein sehr gutes, akzentfreies Deutsch. „Jedenfalls wenn er,
der sehr lebhaft und kommunikativ war, sie zu Wort kommen ließ“, erinnert
sich Rust schmunzelnd an zahlreiche Begegnungen im Familienkreis.
Pieter“, wie Max Hahn genannt wurde, starb 1992, seine Frau Lili ein Jahr
später. Das Paar hatte keine Kinder. Doch sind Hahns in ihrer Vaterstadt
Göttingen heute nicht vergessen. Der neue Gallus-Park, mit dem
beleuchteten Hahn-Logo weithin sichtbar, soll dies ein kleines Stück weit
versinnbildlichen."
Bettina Kratz-Ritter